Samstag, 1. März 2014

Wer seine Eigenliebe abtötet, kann in kurzer Zeit heilig werden

7.  Alle Eigenliebe hindert die vollkommene Vereinigung mit Gott. Diesen beständigen Kampf gegen unsere Neigungen, um von derselben nicht, hingerissen zu werden, müssen wir mit entschlossenen Willen führen. 
Sowohl die äußerliche Abtötung ist, wie die innerliche, zur Vollkommenheit notwendig, doch mit diesem Unterschiede, dass wir die äußerliche mit Bescheidenheit, die innerliche aber ohne Maß und mit Eifer üben müssen. Und was hilft es wohl, wenn wir den Leib züchtigen und hingegen die innerlichen Leidenschaften nicht abtöten? 

"Was nützt es", schreibt der heilige Hieronymus, "den Leib durch strenges Fasten zu kasteien, wenn wir von Hoffart aufgeblasen sind, kein beleidigendes oder verächtliches Wörtchen, keine abschlägige Antwort ertragen können? Was nützt es, sich vom Weine zu enthalten und vom Zorne gegen denjenigen berauscht zu sein, der uns widerspricht?"  Mit Recht beklagt der heilige Bernard den bösen Stand derjenigen, die sich äußerlich demütig geben, innerlich aber voll böser Neigungen sind! Diese, sagte er, legen ihre Laster nicht ab, sondern decken dieselben nur mit äußerlichen Zeichen der Buße zu.

8. Wenn wir uns dagegen fleißig auf die Abtötung der Eigenliebe konzentrieren, so können wir in kurzer Zeit heilig werden, ohne Gefahr, dadurch der Gesundheit zu schaden oder stolz zu werden, da ja Gott allein Zeuge dieser innerlichen Werke ist. Dies oder jenes Verlangen, diese oder jene Neigung, Erbitterung, Neugierde, Scherzrede und dergleichen gleich im Entstehen zu ersticken; o welch eine schöne Ernte von Tugendwerken und Verdiensten wird dies geben!

Wenn euch in einer Sache widersprochen wird, gebt gern nach, sofern kein Nachteil für die Ehre Gottes zu befürchten ist
Wenn es auf eure Ehre allein ankommt, opfert sie Jesu Christo als ein angenehmes Opfer auf. Ihr bekommt von jemand einen Brief, haltet die Begierde, ihzu öffnen, eine Weile im Zaume, und eröffnet ihn erst nach einiger Zeit. Ihr verlangt den Ausgang einer seltsamen Begebenheit in einem Buche zu lesen; behaltet es euch auf ein anderes Mal vor. Es kommt euch eine Begierde, irgend eine kurzweilige Scherzrede zu sagen, eine Blume zu pflücken oder etwas anzusehen; enthaltet euch dessen aus Liebe zu Jesus Christus. Derlei innerliche Werke können täglich tausendfach geübt werden. 
Pater Leonard von Porto Maurizio erzählt, dass eine Dienerin Gottes, indem sie ein Ei aß, acht innerliche Werke der Abtötung verrichtet habe, und dass ihr geoffenbart wurde, dass sie dadurch acht Grade der Gnade und acht Grade Glorie erlangt habe.

Von dem heiligen Dositheus wird erzählt, dass er durch derlei innerliche Abtötungen in kurzer Zeit zu einer hohen Stufe der Vollkommenheit gelangt sei. 
Als er, noch in der Blüte seines Alters, krank wurde, konnte er weder fasten, noch andere gemeinschaftliche Übungen verrichten; als die anderen Mönche, als sie sahen, dass er in der Vereinigung mit Gott dennoch so weit gekommen war, verwunderten sie sich darüber und fragten ihn, was für ein Tugendwerk er übe. Dositheus antwortete, seine Tugendübung bestehe hauptsächlich darin, dass er in allen Dingen seinen eigenen Willen abzutöten suche.