Dienstag, 4. März 2014

Der Heiland lädt seine Freunde zum Myrrhenberge ein

10. Darum sagt der göttliche Heiland, dass Er auf den Myrrhenberge, das ist zum Berge der Bitterkeiten und Schmerzen wandle. Ich will zum Myrrhenberge gehen (Hohel. 4,6). 
Und dahin lädt Er uns ein, Ihm nachzufolgen, wenn wir Seiner Freundschaft teilhaftig werden wollen. 

Willst du, o Christ, den Gekreuzigten umarmen, so musst du entweder gekreuzigt sein, oder gekreuzigt werden, sagt der heilige Petrus Damianus . Und der göttliche Erlöser Selbst sprach zu der seligen Baptista Barani, einer Franziskanerin: „Der gekreuzigte Bräutigam will auch eine gekreuzigte Braut."* 
Darum müssen die frommen Seelen, damit sie Seine wahren Bräute seien, in immerwährender Abtötung und Kreuzigung ihrer selbst leben. 

Sie müssen, nach dem Ausspruche des Apostels, die Tötung Jesu allezeit an ihren Leibern tragen (2. Kor. 4,10); das ist, in allem ihren Tun und Lassen nie den eigenen Willen, sondern allein das Wohlgefallen Jesu Christi suchen, und deshalb aus Liebe zu Ihm ihre Begierden abtöten, denn welche Christi sind, sagt der Apostel, die haben ihr Fleisch samt den Lastern und bösen Gelüsten gekreuzigt (Gal. 5,24).** 
So müssen denn diese Bräute des göttlichen Erlösers alle ihre sinnlichen Neigungen und Leidenschaften an das Kreuz heften, sonst wird sie der Herr nicht als Seine Bräute erkennen.

* Anmerkung: Dieses Wort haben noch bis Anfang des letzten Jahrhunderts fast alle Ordensleute verstanden, und die Heiligen besonders gut, denn sie wollten angesichts eines gekreuzigten Erlösers nicht ohne Leiden sein, um Ihm so ihre Gegenliebe beweisen zu können. Statt über Leiden zu klagen, haben sie ihre vielfachen Leiden aus Liebe zum leidenden Gottmenschen Jesus Christus gerne und in Ergebung in den göttlichen Willen getragen, wissend, dass noch keiner ohne Leiden heilig geworden ist.

** Das schließt natürlich ein, dass man vollkommen aufhören will, zu sündigen und auch nicht die kleinste Sünde freiwillig begehen will.