Mittwoch, 5. März 2014

Regeln und Beispiele für die innerliche Abtötung

11. Wir wollen nun zur Übung kommen und sehen, welche die Regeln sind, um die wahre innerliche Abtötung zu erlangen. Vor allem müssen wir zu erkennen suchen, welche Leidenschaft in unserem Herzen die Oberherrschaft hat und uns öfters zur Sünde verleitet; diese müssen wir unbedingt überwinden. 

Der heilige Gregorius sagt, dass wir uns desselben Kunstgriffes bedienen müssen, um den Teufel zu besiegen, dessen er sich bedient, um uns zu überwinden. Er bemüht sich nämlich unablässig, jene Neigung oder Leidenschaft in uns immer mehr und mehr anzufeuern, zu welcher wir am meisten geneigt sind und die in uns die Oberhand hat. 

Und wir müssen uns zuallererst bestreben, gerade diese Neigung zu bekämpfen und zu bezähmen. Wer die vorherrschende Leidenschaft überwindet, wird leicht alle anderen überwinden, wer sich aber von jener Neigung weiterhin wird beherrschen lassen, wird in der Vollkommenheit nie weiter kommen können. 

Was nützt dem königlichen Adler die Stärke seiner Flügel, wenn er am Fuße mit einem Stricke festgebunden ist? Er kann nicht fliegen, sagt der heilige Ephrem. 
O wie viele Seelen würden sich gleich königlichen Adlern hoch zu Gott emporschwingen; weil sie aber von einer irdischen Neigung gebunden sind, so fliegen sie nicht, und kommen in der Vollkommenheit nie weiter.  
Der heilige Johannes vom Kreuz sagt, jeder Faden sei hinreichend, eine Seele aufzuhalten, dass sie nicht zu Gott steigen kann. Außerdem macht derjenige, der sich von einer Leidenschaft beherrschen lässt, nicht nur keinen Fortschritt im geistlichen Leben, sondern (und dies ist noch trauriger) er gibt sich der Gefahr Preis, ewig zu Grunde zu gehen. 

Darum ist es notwendig, dass die Seele ihre Hauptleidenschaft zu überwinden strebt, sonst werden ihr alle anderen Abtötungen wenig nutzen. So ist zum Beispiel manche Seele nicht geizig, aber ehrsüchtig; wenn sich diese in Demütigungen, die ihr begegnen, nicht zu überwinden sucht, so wird ihr ihre Gleichgültigkeit gegen das Geld nichts nützen. 
Eine andere wird nicht ehrsüchtig sein, wohl aber nach Geld Verlangen tragen; wenn sich diese nicht bestrebt, ihre Geldgier abzutöten, so wird ihr die Geduld bei Verachtungen wenig nutzen.