Samstag, 10. Mai 2014

Über die "Eingezogenheit der Augen"

Anmerkung: "Eingezogenheit der Augen" bedeutet, nicht überall vorwitzig und neugierig umherzusehen, sondern sich idealerweise mit Gedanken an Gott zu beschäftigen.

7. Außerdem ist zu merken, dass die Eingezogenheit der Augen nicht nur zum eigenen Fortschritt in der Tugend, sondern auch zur Erbauung des Nächsten notwendig ist. Gott allein sieht in unser Herz; die Menschen sehen nichts als unsere äußern Werke, und werden dadurch entweder erbaut oder geärgert.

Aus dem Angesichte erkennt man den Mann. (Ekklesiasticus 19,26)*. Der fromme Christ muss ein brennendes und leuchtendes Licht sein
, wie das Evangelium des heiligen Johannes sagt (Joh. 5,35). Er muss eine Fackel sein, die im Herzen vor göttlicher Liebe brennt, und durch Eingezogenheit jedem, der ihn betrachtet, leuchten.
Er soll bedenken, was der Apostel seinen Jüngern geschrieben hat: Wir sind der Welt, den Engeln und den Menschen zum Schauspiele geworden (I. Kor 4.9). Und an einer anderen Stelle: Eure Sittsamkeit werde allen Menschen kund, denn der Herr ist nahe (Phil. 4,5). 

Wir Christen werden von den Engeln und von den Menschen genau beobachtet, daher muss unsere Eingezogenheit allen bekannt sein; wenn wir uneingezogen sind, werden wir in der Stunde ihres Gerichtes Gott strenge Rechenschaft geben müssen. Eine sittsame Person, welche die Augen stets niedergeschlagen hält, gereicht allen zur Erbauung und erweckt in uns heilige Gedanken. 

Bekannt ist , was der heilige Franz von Assisi einst getan hat: Er sagte zu einem Mitbruder, er wolle eine Predigt halten; ging hierauf mit ihm aus dem Kloster, und kehrte, nachdem er, lange mit zur Erde geschlagenen Augen herumgegangen, wieder in das Kloster zurück. Da fragte ihn sein Begleiter, wann er die Predigt denn halten werde. Der Heilige antwortete : Die Predigt ist gehalten worden durch die Eingezogenheit der Augen, die wir den Leuten zu betrachten gegeben haben. — 

Von dem heiligen Aloisius Gonzaga kann man lesen, dass während seines Aufenthaltes in Rom befand, die Studenten immer an der Klosterpforte warteten, wenn der Heilige aus und einging, um seine große Eingezogenheit und Sittsamkeit zu beobachten und zu bewundern. 

* siehe auch den Folgevers