Dienstag, 4. Februar 2014

Über lässliche Sünden, die nur aus Schwachheit begangen werden und welches Übel eine Sünde ist

2. Ich rede hier nicht von läßlichen Sünden, die nicht vollkommen freiwillig und bloß aus menschlicher Gebrechlichkeit begangen werden. Von dieser Gattung der Sünden ist kein Mensch auf Erden frei. In vielen Dingen fehlen wir alle, sagt der Apostel Jakobus (Jak. 3,2). Alle Menschen und auch die Heiligen haben Fehler begangen. Wenn wir sagen, schreibt der heilige Apostel Johannes, wir haben keine Sünden, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns (1. Joh. 1,8). 
Wir tragen wegen der, von der Erbsünde verdorbenen Natur, eine Neigung zum Bösen mit uns, die es uns unmöglich macht, ohne ganz außerordentliche Gnade (wie sie nur der göttlichen Mutter verliehen wurde) unsere ganze Lebenszeit hindurch alle läßlichen, unbedachtsamen und nicht vollkommen freiwilligen Sünden zu meiden. 

Gott lässt solche Makeln auch an Seinen Dienern zu, die sich völlig Seiner Liebe geheiligt haben, damit Er sie in der Demut erhalte und ihnen zu erkennen gebe, dass, wie sie in jene kleinen Sünden trotz ihrer guten Vorsätze fallen, sie ebenso auch in schwere Sünden fallen würden, wenn nicht seine göttliche Hand es wäre, die sie schützt. 
Darum sollen wir, wenn wir sehen, dass wir in dergleichen leichte Sünden, gefallen sind, uns verdemütigen, unsere Schwachheit bekennen, und uns bemühen, häufiger zu beten und auch Gott demütig bitten, dass Er Seine allmächtige Hand über uns halte, und nicht zulasse, dass wir in noch größere Sünden fallen.


3. Hier will ich also bloß von den lässlichen, bedachtsamen, vollkommen freiwilligen Sünden reden. Diese können mit der göttlichen Hilfe vermieden werden, wie sie heilige Seelen wirklich vermeiden, welche den festen Entschluß gefaßt haben, lieber den Tod auszustehen, als eine läßliche Sünde freiwillig und bedachtsam zu begehen. 
Die heilige Katharina von Genua sagte, dass einer Seele, welche Gott mit reiner Liebe liebt, jede auch die mindeste Sünde unerträglicher sei, als die Hölle; daher bezeugte sie, dass sie sich viel lieber in ein ungeheures Feuermeer stürzen, als eine lässliche Sünde freiwillig begehen würde. 

Und mit Recht sprechen die Heiligen so; denn von dem göttlichen Lichte erleuchtet, können sie leicht erkennen, dass jede Beleidigung Gottes ein größeres Übel sei, als der Tod und die Vernichtung aller Menschen und Engel. 
Der heilige Anselmus schreibt: „Welcher Sünder wird sich erkühnen und sagen, diese Sünde ist kein großes Übel? Kann man es wohl ein kleines Übel nennen, Gott verunehren und beleidigen?" 

Wenn ein Untertan zu dem Könige sagte: „In allen Dingen werde ich gehorchen, aber in diesem nicht, denn daran.ist nicht viel gelegen;" welchen herben Verweis, welche Strafe würde nicht so ein Untertan verdienen? Daher sagt die heilige Theresia: Wollte Gott! wir fürchteten nicht so sehr den Satan, sondern jede lässliche Sünde, die uns größeren Schaden zufügen kann, als alle Teufel der Hölle. 

Darum ermahnte die seraphische Jungfrau ihre geistlichen Töchter: Vor der bedachtsamen Sünde, so klein sie sein mag, wolle Gott euch behüten." So lange diese Heilige immer ein unvollkommenes Leben führte, machte sie keinen Fortschritt im innerlichen Leben, und lebte ohne Trost der Seele und des Leibes traurig dahin. Wer sich aus kleinen Sünden nichts macht, wird nie vorwärts kommen und auch nie wahre Zufriedenheit finden.

Dieses ist die Ursache, dass viele Klosterfrauen ein unglückliches Leben führen, ohne in ihrem Stand Ruhe oder Frieden zu finden, denn einerseits sollen sie der weltlichen Freuden entsagen, andererseits aber finden sie keinen geistlichen Trost, denn weil sie mit Gott so sparsam umgehen, so verfährt Gott auch gerechterweise mit ihnen. 
Wir wollen uns Gott ganz schenken und Gott wird sich auch uns ganz schenken. Ich gehöre meinem Geliebten, und Er wendet Sich zu mir. (Hohel. 7,10)