Montag, 17. Februar 2014

Nicht beachtete lässliche Gewohnheitssünden führen zur gefährlichen Lauheit

5. Es muss sich also jede Seele sehr fürchten, wenn der Teufel sie mit was immer für einer Leidenschaft und mit was immer für einer, wenn auch noch so kleinen Sünde, welche Fall und  Untergang nach sich ziehen kann, binden will
Sie muss sich fürchten und zittern, sage ich; denn jede kleine Neigung kann die Ursache ihrer ewigen Verdammnis sein; „Wer sich verwerflichen Sachen nähert, wird selbst verwerflich werden," sagt die heilige Theresia, und zwar mit allem Fug und Recht; denn obschon sie nie eine schwere Sünde begangen, ließ ihr Gott dennoch den Ort sehen, der für sie in der Hölle bereitet gewesen wäre, hätte sie sich nicht von einer gewissen (obwohl nicht unreinen) Neigung, die sie zu einem ihrer Verwandten trug, losgemacht. 

Wenn der Vogel frei ist, so erhebt er sich in die Luft, ist er aber angebunden, und wenn auch nur mit einem dünnen Faden, so bleibt er am Boden. 
Ebenso fliegt die Seele, die von aller irdischen Neigung frei ist, und steigt zu Gott empor; so lange sie aber mit einer Neigung an der Welt klebt, wird sie sich von der Erde nie aufschwingen, sie wird von Tag zu Tag schlechter werden, bis sie endlich ewig zu Grunde geht. 

Kurz, man muss fest überzeugt sein, dass die Seligkeit eines Christen auch von der Vermeidung der läßlichen Sünden abhänge, besonders wenn es Gewohnheitssünden sind; denn viele kleine Bächlein werden endlich zu einem großen Flusse, in welchem man Schiffbruch leiden und ertrinken kann. 

Ihre immerwährenden Sünden, die die Seele nicht achtet, werden machen, dass sie nach und nach in den elenden Stand der Lauigkeit fällt, über den der Herr dem Bischofe von Laodicea durch den heiligen Johannes geschrieben hat: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist (Offenb. 3,15). 

Das ist der Stand einer lauen Seele. Sie wagt es nicht, Gott ganz und gar den Rücken zu kehren, aber sie achtet die läßlichen Sünden nicht, sie begeht alle Tage viele derselben; sie ist ungeduldig, sie lügt, sie murrt, sie ist genäschig, sie zankt, trägt Abneigung im Herzen; trägt unordentliche Neigung zu Hab und Gut, zu Neuigkeiten, zur eigenen Hochschätzung, zum eigenen Willen; aber diese Unvollkommenheiten kümmern sie nicht im geringsten, sie denkt auch nicht daran, sich zu bessern. 

O wärest du kalt, setzt der Herr hinzu, weil du aber lau und weder kalt noch warm bist, so will ich anfangen, dich aus Meinem Munde auszuspeien (Offenb. 3,15, 16); das heißt: es wäre besser, du wärest meiner Gnade ganz und gar beraubt, weil dann noch Hilfe zu hoffen sein würde*; da du aber in deiner Lauigkeit verharrst, bist du in größerer Gefahr, verdammt zu werden, indem du durch diese Lauigkeit leicht in eine Todsünde fallen wirst, und schwerlich von diesem Falle wieder aufstehen wirst.

* Erklärung aus dieser hoch empfehlenswerten Vulgata  zu der Schriftstelle: "Der Kalte, der nichts hat, erkennt leichter sein Nichts und sein Bedürfnis nach Buße und Glauben, doch der Laue und Halbe tröstet sich mit dem, was er hat, über das, was er nicht hat und glaubt kaum an seinen Mangel.