Donnerstag, 24. April 2014

Was man jederzeit ansehen kann und was nicht

6. Die Freiheit der Augen hindert die Sammlung des Geistes zur Zeit des Gebetes; denn da werden alle gesehenen, und dem Geiste eingeprägten Gegenstande zum Vorschein kommen, und der Seele tausend Zerstreuungen verursachen. Und wer im Gebete Versammlung des Geistes genoss, der wird sie verlieren, sobald er mit den Augen herumschweifen wird. 


Es ist gewiss, dass eine christliche Seele, die nicht gesammelt ist, die Tugenden, wie z. B. Demut, Geduld, Abtötung und dergleichen, wenig üben kann; deswegen muss man sich hüten, und äußerliche Gegenstande nicht vorwitzig ansehen, denn sie ziehen von heiligen Gedanken ab. Auf jene Gegenstände soll man sehen, die uns zu Gott führen. 

Der heilige Bernard sagte: "Niedergeschlagene Augen helfen, das Herz gen Himmel zu heben, und himmlische Dinge zu betrachten." Der heilige Gregor von Nazianz schrieb: „Wo Christus mit seiner Liebe wohnt, da hat die Eingezogenheit ihren Wohnsitz."
Hierdurch will ich keineswegs sagen, dass man die Augen nie empor heben, nie eine Sache anschauen soll; man sehe jene Gegenstände an, die uns zu Gott führen, als da sind: heilige Bilder, die Felder, Blumen und dergleichen Dinge, weil diese schönen Geschöpfe uns erheben, den Schöpfer zu betrachten. 

Übrigens aber soll ein Christ seine Augen meist niedergeschlagen halten, besonders an Orten, wo sich denselben gefährliche Gegenstände darbieten können. Und wenn er mit Personen des anderen Geschlechts redet, muss er sie nie anschauen, und noch viel weniger sie eigentlich betrachten, wie wir oben von dem heiligen Franz von Sales ermahnt wurden.